Carfree Times

Ausgabe 36

23. August 2004

Straßburg
Straßburg, 1997

Ankündigungen

Illustrierte Flächennutzungsraten

Flächennutzungsraten (FAR) werden nun für zehn verschiedene städtische Formen illustriert (in Englisch). Jede Seite gibt ein Beispiel einer relativ homogenen Stadtlandschaft und schliesst eine Karte des Landverbrauches, eine statistische Zusammenfassung und drei Fotografien örtlicher Straßen ein. Soweit mir bekannt haben Beispiele dieser Art bislang nicht zur Verfügung gestanden. Die Seiten sind nützlich in Diskussionen über Dichte, Gebäudegröße, Straßenbreite und Größe von Grünflächen.

Interna bei Carfree.com

Carfree.com bietet Ihnen die Möglichkeit zu Praktika in Cascais, Portugal. Eine große Bandbreite von Qualifikationen ist gefragt, wenn Sie also Ihre Fähigkeiten erweitern und dabei die autofreie Bewegung unterstützen wollen, senden Sie mir eine Email. Der Kalender für 2004-2005 ist nahezu voll.

Unterstützung für Carfree.com

Ich war sehr dankbar für das Echo auf meinen Aufruf in der letzten Ausgabe betreffs Spenden zur Finanzierung des Carfree.com-Servers. Scott Roy Atwood hielt uns im Juni and Juli online. Nathan Banks zahlte für August und September, Chris Radcliff für Oktober. Ihnen allen vielen Dank!

Es werden noch Sponsoren für November and Dezember sowie für das ganze Jahr 2005 gesucht. Besuchen Sie die Support Seite wenn Sie überlegen, ob Sie etwas beitragen können. Vergessen Sie nicht - Ihr Beitrag hilft, Carfree.com reklamefrei zu halten!

World Carfree Day 2004

Besuchen Sie die World Carfree Day Webseite beim World Carfree Network, wo organisatorische Fragen diskutiert werden. Lasst uns diesen 22. September zum größten und besten autofreien Event aller Zeiten machen.

Towards Carfree Cities V

Die nächste Konferenz des World Carfree Network, Towards Carfree Cities V, wird 2005 in Budapest stattfinden. Details dazu werden in künftigen Ausgaben von Carfree Times veröffentlicht werden. Lesen Sie weiter unten die Zusammenfassung der diesjährigen Konferenz, die im Juli in Berlin stattfand.

"Ghawar Is Dying" Aufkleber

Sie können einen Aufkleber "Ghawar is dying" kaufen: Vom New Colonist. Lesen Sie auch den Originalartikel über die Erschöpfung des weltgrößten Ölfeldes.

Carfree Design Manual

Die Veröffentlichung des Carfree Design Manual ist für Ende 2005 geplant.

Carfree Cities Verfügbarkeit

Die Paperback- wie auch die gebunden Ausgabe von Carfree Cities sind überall erhältlich. Details auf der Bestellseite.

Towards Carfree Cities IV


Das World Carfree Network organisierte eine weitere Konferenz in der Reihe Towards Carfree Cities (auf dem Weg zur autofreien Stadt). Es war die vierte Veranstaltung ihrer Art, die vom 19. bis 24. Juli in Berlin stattfand. Die diesjährige Konferenz wurde von 170 Teilnehmern besucht, mehr als in allen vorhergehenden Konferenzen zusammen. Experten verschiedenster Richtungen zeigten Präsentationen und in diesem Jahr lauschten zunehmend ergraute Köpfe. Die Humboldt-Universität beherbergte die Konferenz und stellte hervorragende Tagungsorte bereit.

Der öffentliche Tag gehörte den Vorstellungen einiger international bekannter Persönlichkeiten. James Kushner, ein bekannter Juraprofessor, diskutierte den Stand autofreier Wohnprojekte in Europa, von denen es mittlerweile viele gibt. Karsten Wagner beschrieb das Hamburger autofreie Projekt, das er initiiert hat. Richard Register stellte seine Vorschläge für autofreie Öko-Städte vor. Erika Jangen von der Europäischen Kommission äußerte sich zu alternativen Transportprojekten in der EU und zu autofreien Tagen. Markus Heller, Architekt in Berlin, erläuterte den schwierigen Weg, ein autofreies Projekt auf einem großen Gelände in Berlin zu verwirklichen. (Es scheint, leider, dass der Bundesnachrichtendienst sich das Vorkaufsrecht für dieses Gelände gesichert hat). Derek Turner, Architekt des erfolgreichen Mautsystems in London, liess den schweren Weg zum Erfolg Revue passieren.

An den anderen Tagen wurden viele Workshops zu einer großen Bandbreite von Themen abgehalten. Eine anregende Lesung von Sajay Samuel über "The Subtle Dangers of Designed Spaces" löste eine lebhafte Debatte aus. Am Donnerstag fanden Touren durch Berlin statt, einer Stadt, die ich nie zuvor besucht hatte, und deren hervorragendes U-Bahn-System ebenso beeindruckend ist wie das enorme Volumen von Neubauten.

Das Treffen endete mit dem jährlichen Treffen des World Carfree Network. Eine große Menge Tagesordnungspunkte mussten an einem einzigen Tag erledigt werden und Pläne, die Aktivitäten des Netzwerks auszuweiten wurden detailliert erörtert. Eine davon ist die Schaffung eines Autofreien Instituts (wer an diesem Projekt interessiert ist soll es mich bitte wissen lassen).

Die Autofrei-Bewegung reift und der Mainstream bewegt sich auf uns zu. Ein Vorschlag, unserer Satzung "Auto-light"-Konzeptionen hinzuzufügen, wurde sofort verworfen, da es solche Bewegungen schon in Menge gibt. Wir brauchen unsere Botschaft nicht verwässern zu lassen.

The Konferenz 2005 wird in Budapest organisiert. Eine Örtlichkeit in Nordamerika wird für 2006 gesucht. Die Konferenz-Webseite http://www.worldcarfree.net/conference/ bietet genauere Informationen.

Leitartikel

Gartensiedlung Weißenburg - Münsters autofreie Siedlung

von Wolfgang Wiemers

Münster - eine Fahrradstadt

Münster, 280.000 Einwohner, ist Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum einer überwiegend ländlichen Gegend. Die Stadt beherbergt eine der größten deutschen Universitäten und besitzt aktive Umweltgruppen. Womöglich wegen der Nähe zu den Niederlanden und der flachen Landschaft ist sie eine Fahrradstadt. Seit Jahren verfolgt sie eine innovative Fahrradpolitik, was zu ihrer Bezeichnung als "Fahrradhauptstadt Deutschland" führte. Der Verkehr besteht seit Jahrzehnten zu 40% aus Auto-, 35% Fahrrad-, 11% öffentlichem Nahverkehr und 14% aus Fußgängern. Die politische Mehrheit wird nahezu ununterbrochen von der CDU gestellt, ausgenommen die Wahlperiode von 1994-1999, als Sozialdemokraten und Grüne eine Koalition bildeten.

Die Beteiligung des Autors

Der Autor dieses Beitrages ist seit 1990 in verschiedenen Umweltgruppen aktiv. Er befasst sich hauptsächlich mit Fragen von Energie und Verkehr, städtischer Umweltpolitik und Zusammenarbeit der Organisationen. 1994-1999 war er für die Grünen im Stadtrat und Mitglied im Planungsausschuß, daher an den Planungen beteiligt. Er ist zur Zeit Vorsitzender des Münsteraner Umweltforums, das die Aktivitäten von 16 Umweltgruppen koordiniert. In diesem Beitrag möchte er zeigen, dass verschiedene Faktoren zusammenkommen müssen, um ein solch ehrgeiziges Projekt wie eine autofreie Siedlung zu verwirklichen, und dass langfristiger Einsatz nötig ist, um es dauerhaft zu sichern.

Initiativen aus der Umweltbewegung

1993 machten die Verkehrsverbände im Umweltforum Münster, zusammen mit den Grünen, einen ersten Vorstoß für eine autofreie Siedlung. Alle Ratsparteien zeigten zwar wohlwollendes Interesse, aber erst nach den Kommunalwahlen 1994 griff die neue rot-grüne Mehrheit die Idee konkret auf. Die Gelegenheit war günstig, verschiedene Konversionsflächen wurden frei und auf dem Hintergrund eines erheblichen Wohnungsdefizits mehrere neue Wohngebiete geplant. So beteiligte sich die Stadt Ende 1996 am Wettbewerb "Wohnen ohne eigenes Auto", der inzwischen ebenfalls rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und erhielt den Zuschlag.

Kooperative Planung

Ausschlaggebend für die Wahl Münsters waren neben den Rahmenbedingungen des Standorts und der kurzfristigen Verfügbarkeit der Fläche ein interessierter Eigentümer und ein kompetenter und engagierter Investor, die in Zusammenarbeit mit der Stadt eine schnelle Realisierung versprachen. Das ehemalige Kasernengelände von ca 4 Hektar liegt am Rande der südlichen Innenstadt, inmitten von Wohnquartieren mit aller notwendigen Infrastruktur, bis zum Hauptbahnhof oder zur Altstadt braucht man etwa 10 Minuten mit Bus oder Fahrrad. Die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) als Eigentümer nutzte die vorhandenen Gebäude bereits für Verwaltung, Rettungsstation und eine Zivildienstschule, wollte seine Einrichtungen durch ein Seniorenstift erweitern und auf dem freien Gelände Wohnbebauung zu realisieren. Die Wohnungsgesellschaft Münsterland (WGM), die in der Umgebung größere Bestände besitzt, zeigte Interesse, sich auch an innovativen Wohnformen zu versuchen. Der Wettbewerb, an dem sich anfangs 227 Architekten aus ganz Europa beteiligten, war 1998 abgeschlossen, der Bebauungsplan wurde 1999 beschlossen. Es gab ein Rechtsgutachten zur Sicherung der Autofreiheit und ein Mobilitätskonzept für die zukünftigen Bewohner und die Kursteilnehmer der Zivildienstschule. 1998 begann die Wohnbundberatung Bochum mit der Zusammenführung der zukünftigen Bewohner und ihrer Beteiligung am weiteren Realisierungsprozess.

Heftiger Widerstand

Zu Beginn des Bebauungsplanverfahrens wurde der Vorentwurf in einer Bürgerversammlung vorgestellt und stieß in einer hoch emotionalisierten Atmosphäre auf erbitterte Kritik. Diese nährte sich vor allem aus dem Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Verpflichtung zur Autofreiheit. Befürchtet wurde, dass die Bewohner entgegen ihrer Verpflichtung doch Autos besitzen und mit diesen dann den knappen Parkraum der angrenzenden Straßen in Anspruch nehmen würden. Damit vermischt wurden Klagen über das jetzige Verhalten der Schüler der Zivildienstschule bei nächtlicher Heimkehr, Auto- und Radionutzung.

Kritisiert wurden auch städtebauliche Dichte und die Höhe, die sich von der Einfamilien- und Reihenhausbebauung der unmittelbaren Umgebung deutlich abhebt. Die CDU griff diese Kritik auf und forderte vehement, wie auch in anderen Baugebieten, Reduzierung der Dichte und zumindest Reserveflächen für Parkplätze für den Fall des Scheiterns des Projekts.

Gegenwind

In den Kommunalwahlen vom September 1999 gewann die CDU die Ratsmehrheit zurück. Wenngleich man sich an geschlossene Verträge und Entscheidungen zu halten hatte, entzog man dem Projekt die aktive Unterstützung. Einige Ratsmitglieder unterstützten die Klage eines Nachbarn gegen den Bebauungsplan. Das Oberverwaltungsgericht NRW bestätigte in seinem Urteil vom 11. Januar 2002, dass eine Stadt auf Grund ihrer Planungshoheit das Recht hat, nach angemessener Abwägung Baugebiete mit einem bestimmten Charakter, also z.B. Villenviertel oder Gebiete ohne Auto auszuweisen. Als relevanten Gesichtspunkt der Abwägung nannte es die realistische Einschätzung eines ausreichenden Bedarfs, wie er bei der Größe und dem Charakter Münsters ohne weiteres gegeben sei. Es erklärte sodann, dass eine Stadt sich bei ihren Planungen grundsätzlich auf die Vertragstreue ihrer Bürger verlassen dürfe und daher keine Vorsorge für massenhaften Missbrauch zu treffen brauche. Die Festlegung im Bebauungsplan und die Absicherung durch privatrechtlichen Vertrag sah es als ausreichend an und bescheinigte dem Konzept Münsters zudem, dass es robust genug sei, um einzelne Missbräuche zu verkraften. Schließlich sei die Belastung der Nachbarn durch Verkehr bei einem traditionellen Wohngebiet auf jeden Fall wesentlich größer.

Diese günstige Entscheidung beendete allerdings die Widrigkeiten nicht. Während in der kritischen Realisierungsphase mit ihren unvermeidlichen größeren und kleineren Pannen und Verzögerungen Irritationen entstanden und Interessenten wieder absprangen, hatten auf der anderen Seite das Engagement und die Kooperation der Partner entschieden abgenommen: Die JUH hatte die Realisierung ihrer Neubauvorhaben auf unbestimmte Zeit verschoben, lediglich eine in der Planung nicht vorgesehene Tiefgarage errichtet und den Bestand renoviert. Da das Seniorenstift nicht gebaut wurde, entfielen nun auch die Gemeinschaftseinrichtungen, und statt sich zum Viertel hin zu öffnen wurden Zäune errichtet. Die CDU-Ratsmehrheit stellte kein Personal zur Begleitung mehr zur Verfügung, Arbeitskreise tagten nicht mehr, und Investor und Mieter sahen sich mit ihren Problemen weitgehend alleingelassen. Nur die Wohnbundberatung arbeitete weiter, bis die zweite große Gruppe Mieter 2003 eingezogen war, im letzten Jahr allein von der Wohnungsgesellschaft finanziert. Isolierte Wohnblöcke in einem noch völlig unbegrünten Umfeld und die Aussicht auf eine Großbaustelle für mindestens noch 2 Jahre straften die Werbung mit dem Begriff der "Gartensiedlung" und mit kinderfreundlicher Autofreiheit Lügen.

Das Viertel war ursprünglich als gemischtes Wohnquartier geplant worden, mit Sozialwohnungen für einkommensschwache Familien, frei finanzierten Mietwohnungen, Eigentumswohnungen und Reiheneigenheimen im Übergangsbereich zur benachbarten Bebauung. Allerdings stiegen die Grundstückspreise wegen eines unerwartet hohen Aufwands für die Reinigung kontaminierter Böden, auch zeigte sich die Gesellschaft wohl nicht sehr flexibel gegenüber den Wünschen von Kaufinteressenten, und so sind die Eigenheimgrundstücke noch immer unbebaut. Der veröffentlichten Meinung nach verhindert allein der autofreie Charakter die Eigentumsbildung, daher bezeichnen die Gegner das Projekt als gescheitert, auch wenn 80% der Bewohner bereits dort leben.

Die Wirklichkeit: Bewohner bilden eine lebendige Gemeinschaft

Als im Oktober 2001 die ersten 200 Bewohner, darunter viele junge Familien, in ihre 2 bis 5-Zimmerwohnungen einzogen, waren die Aussichten nicht ermutigend. Am Haupteingang stachen Garageneinfahrt, Drahtzäune und Abfallbehältern ins Auge. Der Begriff "Gartenstadt", von Marketingexperten ausgedacht, wurde durch den Baustellencharakter des Geländes (der älteren Kindern durchaus gefiel) ins Gegenteil verkehrt. Das einzige Grün waren schmale Rasenflächen hinter den Häusern, doch selbst hier dominierten die Maschendrahtzäune. Die recht simple, rechteckige Gebäudeform schien das Vorherrschen ökonomischer Erwägungen zu betonen.

Wie in fast allen neuen Vorhaben gab es kleinere und größere Mängel und Rückschläge. Um nur einen zu erwähnen: Treppen zu den Fahrradkellern waren so steil und eng, dass fast nur Athleten ein Fahrrad hinauf oder hinabtragen konnten, ganz zu schweigen von Kindersitzen oder Anhängern. Viele Familien mussten ihre Alltagsräder und Kinderwagen im Freien lassen, wo sie der Witterung ausgesetzt waren.

Allerdings nahmen sich unerschrockene Bewohner dieser Probleme an. Sie gründeten eine Anwohnerinitiative und setzten verschiedene Ausschüsse ein, deren wichtigster die Schiedsstelle ist, die über Ausnahmen von der Verpflichtung der Autofreiheit entscheiden kann. Sie organisierten Veranstaltungen, um die Leute zusammen zu bringen.

Als die zweite Gruppe Häuser gebaut wurde, wurden viele ihrer Verbesserungsvorschläge eingearbeitet.Die Wohngesellschaft stellte eine zentral gelegene Erdgeschosswohnung als Gemeinschaftszentrum zu ermäßigter Miete zur Verfügung. Die Bewohner nannten sie "Geistreich", eine Anspielung auf den Namen des umliegenden Stadtteils, "Geist", und die nahegelegene Hl. Geist-Kirche.

Läuft oder radelt man heute über die leicht gewundenen, autofreien Wege, bekommt man einen gänzlich anderen Eindruck als den der ersten Tage. Öffentliches und privates Grün und Bäume sind beträchlich gewachsen, "Gartenstadt" ist nicht mehr nur ein Marketing-Slogan. Die Balkone der oberen Stockwerke sind mit Blumen bepflanzt, die Erdgeschosswohnungen haben eigene Gärten, die sich fast alle zu Grünflächen und Spielplätzen hin öffnen. Der große zentrale Spielplatz und Erholungsbereich gegenüber dem Gemeinschaftszentrum wurde rechtzeitig zum Sommer 2004 fertiggestellt. Nachmittags spielen Kinder in Gärten und auf Spielplätzen, aber auch auf den Straßen, was den Autor an seine eigene Kindheit nach dem Krieg erinnert, in der Autos auf öffentlichen Straßen selten waren. Die Menschen, die man trifft, genießen ihr Leben hier und sind bereit, sich dafür einzusetzen.

Ausblick

Wenn der Einsatz der Bewohner so bleibt wie heute, scheint eine positive Zukunft sicher. Ich halte es für keinen Nachteil, dass die Bebauung noch nicht fertig gestellt ist. Neue Ideen haben so Zeit zu reifen, z.B. gemeinschaftliches Eigentum. Pläne zur verstärkten Nutzung von Solarenergie wurden entwickelt, um dem Viertel den zusätzlichen Titel einer "Solarsiedlung" zu verschaffen. Der Gemeinschaftsgeist mag Menschen anziehen, die sich nach Eigentumswohnungen umsehen, die hohen Preise von heute könnten morgen vertretbar erscheinen. Einrichtungen für Senioren werden verstärkt nachgefragt und Investoren werden sich zeigen, wenn sie einmal den Wohnwert des Viertels erkannt haben. Kinder füllen Kindergärten und Schulen, die Anwohner insgesamt sind eine wichtige Einkommensquelle der Geschäfte in der Nachbarschaft. Je mehr Anwohner an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen, desto schneller werden sich Vorurteile als haltlos erweisen, und die Siedlung wird zu einem integralen und bereichernden Teil des Stadtviertels und der gesamten Stadt werden.

Wolfgang Wiemers ist Sprecher der Umweltverbände Münster.
Er kann unter wiemersw@web.de erreicht werden.


Nachrichten

Öko-Siedlung bei Lissabon

Die portugiesischen Grünen fördern ein ehrgeiziges Projekt, das 20 km südlich von Lissabon eine ökologische Siedlung mit 20.000 Bewohnern entstehen lassen soll, komplett mit Wohnanlagen, Arbeitsplätzen und Freizeiteinrichtungen. Das Demonstrationsprojekt, eines von fünf, die von der World Wildlife Federation und BioRegional vorgeschlagen wurden, soll zeigen, dass Gemeinden in großem Maßstab Umweltverschmutzung zu reduzieren und erneuerbare Energien zu nutzen im Stande sind. Das Vorhaben wird als das "weltweit erste integrierte nachhaltige Wohnprojekt" beworben. Der Abfall der Siedlung wird auf etwa 25% der sonst üblichen Menge reduziert, 90% des organischen Abfalls sollen kompostiert werden.

Das Projekt "Mata de Simbra" wird ca. 1 Milliarde US-Dollar kosten und, wenn es in etwa 10 Jahren fertiggestellt sein wird, etwa 5300 Hektar einnehmen. Die größte Fläche, ca. 4800 Hektar, wird aus einem Naturreservat mit wiederaufgeforstetem Wald bestehen. Das Projekt wird sich stark in Richtung Öko-Tourismus entwickeln.

Der Plan sieht vor, dass alle Energie aus erneuerbaren Quellen stammen soll. Regenwasser wird gesammelt und Abfall wiederaufbereitet, was der schwierigen Wasserversorgung in Portugal aufhelfen soll. Die Hälfte der Nahrungsmittel soll in einem Umkreis von 50km erzeugt werden, um Landwirtschaft vor Ort zu stützen und Transporte niedrig zu halten. Wiederaufbereitete und wiederverwendete Stoffe werden benutzt wo irgend möglich.

Als Lloyd Wright mir diesen Artikel zuschickte, sagte er:

"Ich erinnere mich an eine Studie vor einigen Jahren, die den Gesamteinfluss von Niedrigenergiehäusern in Vorstädten mit der normaler, dichter Stadtbebauung in Stadtzentren auf die Umwelt verglich. Die Studie wurde in San Francisco durchgeführt. Das Ergebnis war, das die Niedrigenergiehäuser der Vorstädte wesentlich mehr Emissionen produzierten als die normalen Häuser in den Städten. Der Energieaufwand, zu diesen Vorstädten zu gelangen, fraß die Einsparungen dieser Häuser bei weitem auf.
Dies dürfte wohl auf die meisten Projekte dieser Art zutreffen. Dennoch hoffe ich, dass dieses Projekt voran kommen wird, da wir Demonstrationsprojekte so bald als möglich benötigen. Die Schwierigkeiten, solche Vorhaben in vorhandenen Stadtkernen durchzuführen, scheinen derzeit unüberwindlich, insbesondere aufgrund des heftigen Widerstandes der ansässigen Bewohner, die Angst vor den notwendigen großen Veränderungen haben. In dem Maße, in dem globale Erwärmung und Energieknappheit dramatischer werden, werden die Leute aber den Wandel auch in ihrer Nachbarschaft akzeptieren, besonders wenn Alternativprojekte einen hohen Lebensstandard aufweisen. Bis dahin sollten wir diese Demonstrationsprojekte unterstützen.

"Lisbon to try sustainable living"
BBC
28 May 2004
see also
BioRegional

Cybercar-Konferenz in Antibes

Die Cybercar-Konferenz von Antibes war der Höhepunkt von 3 Jahren Forschung und Entwicklung einer Reihe von Universitäten und Firmen. Von der EG wir die Entwicklung elektrischer selbstfahrender Fahrzeuge gefördert. Firmen wie Fiat und Frog Design nahmen teil; die Konferenz wurde von der INRIA organisiert. Präsentationen behandelten viele Aspekte von "Cybercars" wie Sicherheit, Benutzerreaktion, Kostenreduzierung und das - gegenwärtig ungenutzte - große Marktpotential .

Der 20 Personen-Parkshuttlebus von Frog Navigation (2 GETTHERE) fuhr über einen 500 Meter langen reservierten Straßenabschnitt. Fahrerlos, mit Hilfe eines Bordcomputers, orientierte sich der Bus an kleinen Magneten, die im Abstand von drei Metern eingelassen waren und die ihm präzise Richtungswechsel an beiden Endhalten sowie Stops an zwei Haltestellen ermöglichten. Bei einer beeindruckenden Sicherheits-Demonstration stellte sich ein Mitarbeiter in den Weg des Busses, und dieser begann, bei einer Geschwindigkeit von 16 km/h, durch Gebrauch seiner Infrarotkamera zwanzig Meter vor dem Hindernis zu verlangsamen um dann einen Meter davor zum Stehen zu kommen. Sechs Parkshuttles werden im nächsten Frühjahr, betrieben von der niederländischen Verkehrsbehörde 'Connexion', eine U-Bahn-Station in Rotterdam mit dem Rivium-Industriepark verbinden.

Andere vorgestellte Cybercars waren 2-Personen-Fahrzeuge namens Cycabs, oder 4-6-Personen Kabinenfahrzeuge, die als Taxis oder Individualfahrzeuge in Städten gedacht sind. In einem Cycab könnte man einen Passagier zu seinem Ziel fahren, woraufhin es automatisch seinen Stellplatz wieder aufsucht. Das Kontrollsystem nutzt Infrarot und GPS (Satelliten) um Bordsteine zu erkennen oder folgt einer weissen Linie. Es erschien zweifelhaft, ob solche Fahrzeuge in normalem Verkehr bestehen könnten; die seitlich offene Bauweise erschien verwundbar, doch ihr Betrieb in reinen Fußgängerumgebungen oder der Einsatz als Gütertransportsysteme wäre eventuell eine Überlegung wert.

Örtiche Politiker, der Bürgermeister und ein Senator hielten enthusiastische Reden über "L'Avenir" (die Zukunft), die autofrei, sicher und sauber sein werde. Niemand sprach davon, dass man sich des Verkehrs in Antibes annehmen sollte, der im Hochsommer schauderhaft sein muss. Man plant, dass in 3 Jahren Parkshuttles um den Hafen herum fahren sollen, Parkplätze aber nicht entfernt werden sollen. Ob also Cybercars der richtige Ansatz sind, diese Haltung ändern, bleibt die große Frage.

First published in Architects' Journal, July 2004
by Brian Richards,
author of Future Transport in Cities

Unter den Teppich

Als wäre es noch vonnöten, sind weitere Beweise für die Schädlichkeit der Luftverschmutzung ans Tageslicht gekommen, trotz aller Anstrengungen von Autoindustrie und Regierungen, diese unter Verschluss zu halten und die Folgerungen zu ignorieren.

Der Verbrennung fossiler Kraftstoffe fallen nach einer neuen Studie jährlich tausende Europäer zum Opfer. Allein in Frankreich sterben laut dem Report der Agency for Health and Environmental Safety (AFSSE) nicht weniger als 10.000 Menschen jährlich durch Autoabgase. Die WHO und unabhängige Studien in anderen europäischen Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Dies liegt anscheinend an Mikropartikeln, die kleiner als 2,5 Mikrogramm sind.

Es erscheint als ob die europäischen Regierungen Informationen darüber zurückhalten.

Das Papier der AFSSE hätte im frühen Mai veröffentlicht werden sollen, doch, laut einer ungenannten Quelle im französischen Gesundheitsministerium, versuchte die Rechts-Regierung die Veröffentlichung wegen der "Peinlichkeit, in die das Gutachten die Automobilindustrie gebracht hätte" zu verhindern. Der Report schlägt laut dieser Quelle drastische Massnahmen zur Einschränkung des Autogebrauchs vor, die aber den Interessen der Autoindustrie zuwiderliefen. Das Papier wurde der Presse zugespielt und AFSSE veröffentlichte es auf ihrer Internetseite.

Der BUND in Deutschland forderte im letzten Jahr die Einführung von Rußfiltern, die diese Mikropartikel, die vornehmlich Dieselmotoren produzieren, filtern sollen, doch die Regierung wies dies zurück. Auch die Forderung nach einer höheren Steuer für schmutzige Fahrzeuge wurde zurückgewiesen.

Ein Bericht der EPA aus den USA über die gesundheitlichen Risiken durch Autoabgase wurde auf jeder Seite mit "nicht anführen, nicht zitieren" gestempelt. Die EPA fürchtete von der US Automobilindustrie verklagt zu werden. Die Agentur sieht seit 1977 die Notwendigkeit strikter Emissionsbeschränkungen, hat sich aber gegenüber der Allmacht Detroits nie durchsetzen können.

"Auto Emissions Killing Thousands"
OneWorld.net
2 June 2004

Sie hätten eine U-Bahn haben können

Die neu eröffnete Schwebebahn in Las Vegas scheint ein Hit zu sein, obwohl die Bahn gerade mal dürftige 4 Meilen lang ist. An ihrem ersten Tag bewegte sich das System an der Kapazitätsgrenze, und das bei einem Fahrpreis von 3 US-Dollar!

Das 650 Millionen US-Dollar teure System mit nur sieben Haltestellen verbindet 24.000 Hotelzimmer mit zahllosen Eingangshallen, Treffpunkten und dem Flughafen.

Falls Sie es übersehen haben: Das System kostete 150 Millionen US-Dollar pro Meile! Dafür hätten Sie eine U-Bahn mit hoher Kapazität bekommen können. Soviel zu Schwebebahnen.

Oder Straßenbahnen

In Barcelona fahren nach 30 Jahren wieder Straßenbahnen. In Nordteil der Stadt verbinden zwei Linien zumindest drei Linien im Süden. Sie bilden daher keine Konkurrenz zur U-Bahn. Allerdings ist die Straßenbahn Teil eines integrierten Konzepts, das mit verschiedenen Komponenten den Bedarf decken soll.

Beide Systeme zusammen kosten nur 400 Millionen US-Dollar und werden eventuell miteinander verbunden werden, doch die Strecke müsste durch die recht enge Avingua Diagonal verlaufen. Das System nutzt modern gekoppelte Niederflurwagen von 32 Metern Länge die Neigungen von 7% bewältigen können. Das System läuft nahezu vollständig auf eigener Trasse, mit Vorfahrtsrecht auf Kreuzungen.

Die Straßenbahnen verkehren in der selben 5-minütigen Frequenz wie die U-Bahnen und sind mit diesen verbunden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Straßenbahn beträgt 23 km/h, was der U-Bahn mit 28 km/h überraschend nahe kommt. Das U-Bahn Netz soll ebenfalls erweitert werden, ungeachtet der Kosten von 2.2 Milliarden US-Dollar. Die sollte eine kluge Investition sein, trotz des hohen Preises.

"Tram nieuwe concurrent voor metro in Barcelona"
Verkeerskunde
2 August 2004

Strasbourg
PCC Car, Newark, NJ, 1999

Oder sogar alte Straßenbahnen

Die neue F-Linie der Straßenbahn, die von San Franciscos Municipal Railway betrieben wird, geht in die Knie. Sie ist zu populär. Die Linie verbindet Fisherman's Wharf mit dem alten Fährgebäude. Die Strecke wird von altmodischen PCC Streetcars befahren, die im Jahre 1935 erstmals auf den Straßen zu sehen waren. Es werden sogar einige noch ältere Wagen aus Mailand benutzt.

Das Angebot ist dermaßen beliebt unter Touristen wie unter Einheimischen, dass es zuweilen unmöglich ist, in eine Bahn hinein zu kommen und manche Leute haben schon fünf voll besetzte Wagen an sich vorbei fahren sehen.

Die Strecke ist lediglich 4 Meilen lang und kostete nur 55 Millionen US-Dollar. Auf ihr werden nunmehr täglich 20.000 Passagiere befördert, während der Sommersaison noch weit mehr. Tatsächlich sind die Fahrgastzahlen doppelt so hoch wie ursprünglich geplant und die MUNI war gezwungen, auf der Route einige Busse einzusetzen da Waggons fehlten.

In dem Artikel von SFGate.com steht, dass die restaurierten PCC Bahnen, die "modern aussehen", "stromlinienförmig" seien. Nun, in meinen Augen nicht. Sie sehen einfach nur nach der brillianten Ingenieursleistung der 30er Jahre aus, die sie eben sind.

Die MUNI kaufte kürzlich alte PCC Wagen, die auf der Newark Untergrundstrecke ausser Dienst gestellt worden waren, für den Schnäppchenpreis von gerade 15.000 US-Dollar.

"Nonstop rush hour on F line"
Standing-room-only Embarcadero streetcar almost too popular
SFGate.com
13 August 2004

Hat Amtrak eine Zukunft?

Das krisengeschüttelte amerikanische Intercity-Bahnsystem Amtrak soll im Frühjahr 2005 geschlossen werden. Die Steuersubventionen für das hoch subventionierte System reichen gerade noch für die Hälfte dessen, was zum Weiterbetrieb nötig ist und es ist keine einfache Lösung in Sicht. Das Management von Amtrak warnt davor, dass das die Fonds-Finanzierung, die das Repräsentantenhaus vorsieht, alle Intercityverbindungen im Frühjahr 2005 zum Erliegen bringen wird.

Auch wenn eine Galgenfrist immer möglich ist und auch schon vorkam vermute ich, dass das System nun am Ende sein wird. Tatsächlich muss einem deswegen nicht bange sein. Ich vermute, dass ein neuer Betreiber die gefragten Strecken weiter betreiben wird, insbesondere die vielbefahrene Nordostroute zwischen Boston und Washington. Einige Langstrecken im Westen des Landes machen ökonomisch keinen Sinn und zieht das ganze System mit nach unten. Eine Schliessung oder der Bankrott würde einem neuen Betreiber auch die Wiederaufnahme des Betriebs ohne irrationale Arbeitsverträge und politische Kuhhandel erlauben, die die Betriebskosten bislang sehr hoch hielten.

Letztlich war Amtraks Betrieb oft so planlos, dass man Pendlerlinien in die Quere kamen (die nicht von Amtrak betrieben wurden) und damit die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Pendlerzüge beeinträchtigten, die wohl wichtiger sind als Intercity-Linien.

Tragödie des Allgemeinguts

In Großbritannien wird an eine Tragödie für den gemeinen Autobahn-Nutzer gedacht: Die Stausteuer könnte landesweit erhoben werden. Gebühren von bis zu 2.18 Euro pro Meile könnten auf den verstopftesten Strecken fällig werden. Der Stau würde sich um die Hälfte vermindern und eine sich abzeichnende Verkehrskrise abgewendet werden.

Dass der Plan wirklich umgesetzt werden könnte lässt sich an der Liste der Organisationen ablesen, die zu der Studie, die diese Änderungen vorschlägt, beitrugen. Alle betroffenen Parteien waren an der Erstellung des Planes beteiligt, einschliesslich der Autolobby. Der Plan würde vermutlich dazu führen, dass die Fahrt über Land billiger würde, die Nutzer frequentierter Strecken aber weit mehr zahlen müssten als heute.

Dem Entwurf nach würden die 30 Millionen Autos in England mit Transpondern ausgestattet, die per Satellit geortet werden könnten. Es würden jährlich mehr als 15 Milliarden Euro eingenommen, obwohl es 4.5 Milliarden Euro kosten würde, die Fahrzeuge mit den Geräten auszustatten.

Viele Menschen sind wegen des Orwell'schen Aspekts des Entwurfs besorgt, der es Behörden leicht machen würde, Position und Route jedes einzelnen Fahrzeugs landesweit zu ermitteln, doch es scheint als ob die Mehrheit der Briten bereit sei, dies zu akzeptieren.

"Crisis plan for tolls on all roads"
Guardian.co.uk
11 July 2004

Peking: Trotziger Widerstand

Ein kürzlich im International Herald Tribune erschienener Artikel über den eskalierenden Konflikt zwischen Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern in Peking enthielt dies Juwel:
Der Mut gewöhnlicher Pekinger Bürger bringt immer neue Wunder hervor. Vor fünfzehn Jahren stellte sich das gemeine Volk Soldaten und Panzern in den Weg, als es verzweifelt versuchte, einen städtischen Lebensraum zu verteidigen, in dem es lebte und den es liebte. Heute sieht man immer wieder Fußgänger bei eigentümlich trotzigen Mutproben mit schweren Fahrzeugen. Sie begehren gegen die Angriffe von SUV's und Limousinen mit schwarzgetönten Scheiben auf, die die Ankunft der Zweiklassengesellschaft in der Volksrepublik einläuten - derer mit und derer ohne Auto.
Autos zerstören in kurzer Zeit Jahrhunderte von Tradition indem sie die Luft verpesten und Fußgänger und Radfahrer bedrohen. Ein reicher Autofahrer überfuhr und tötete ungestraft einen widerspenstigen Fußgänger, mittlerweile ein all zu häufiges Ereignis. Das Interesse an dem Fall wuchs erst, als er in Chinas Internetseiten weiten Widerhall fand. Das Problem besteht in der staatlichen Unterstützung der Autobesitzer, die für sich das Vorfahrtsrecht beanspruchen.

Zeit für eine neue Kulturrevolution?

Hoffnung für China

In China hat man sich für eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrswesens in den nächsten fünf Jahren entschieden. Der chinesische Vize-Bauminister Qiu Baoxing zitierte während einer Rede bei einer Pekinger Konferenz ausländische Erfahrungen, die die Vorteile zeigten, wenn man dem öffentlichen Nahverkehr in Ballungsräumen den Vorzug gibt.

Das Programm soll Vorfahrtsregelungen für öffentliche Verkehrsmittel in städtischen Umgebungen einschliessen, so dass der ÖPNV ohne Verzögerungen verkehren kann. Gegenwärtig beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit Pekinger Busse wegen des starken Verkehrs privater Autos weniger als 10 km/h. (Ein Fußgänger, daran sei erinnert, geht 4.5 km/h schnell, daher kommt man lediglich doppelt so schnell voran wenn man den Bus nimmt, die Wartezeiten nicht eingerechnet.)

Leider scheint es als ob man die Errichtung von Park-and-Ride Einrichtungen am Rand der Stadtkerne sehr begünstigen will, von denen aus die Autofahrer in öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, um in die Innenstadt zu gelangen. Eine bessere Idee wäre eine Stadtentwicklung, die einen Tür-zu-Tür Transportservice bereitstellt, der der Zersiedelung ein Ende machen würde. China kann es sich eigentlich nicht leisten, wertvolles, an die Städte angrenzendes Ackerland in den fruchtbaren Küstenebenen zu vergeuden.

Das Projekt scheint eine ernsthafte Verpflichtung darzustellen, nach der 3 bis 5 Prozent des BSP für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Sache wird sich an der Balance zwischen den Bedürfnissen der Autofahrer der ÖPNV-Nutzer entscheiden.

Autofreier Tag in Shenzhen

Shenzhen, China, 4.7 Millionen Einwohner, hatte im Juni seinen ersten autofreien Tag, an dem 100.000 Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder im Bus zur Arbeit fuhren. Das Thema des Tages: "Abgase reduzieren zugunsten eines blaueren Himmels". Das klingt auf Kantonesisch sicher besser, aber ich bin sicher, das es in jedem Falle besser ist. Manche Leute liefen drei Stunden um zur Arbeit zu gelangen (gibt es denn in Teilen von Shenzhen keinen öffentlichen Nahverkehr?)

Shenzhens Wirtschaft ist in den letzten 20 Jahren explosionsartig gewachsen und man hat es inzwischen zu 23 Autos pro 100 Familien gebracht. Als Ergebnis dessen ist die Luftqualität ständig zurückgegangen.

Vancouvers Arbutus Corridor

Die Society Promoting Environmental Conservation (SPEC) schrieb einen Design-Wettbewerb für den Arbutus-Corridor in Vancouver aus. Studenten, Planer und die Öffentlichkeit allgemein sind aufgerufen, Ideen beizutragen, deren beste der Stadt von Vancouver vorgestellt werden sollen.

Die SPEC möchte den Korridor sowohl als Verkehrsverbindung wie auch als Grünfläche erhalten. Die Strecke ist ein historisches Gelände. Die SPEC hofft, dass der Korridor Schienenverkehr und begrünte Wege mit Fuß- und Radwegen in Einklang bringen kann. Man arbeitet mit Gemeindegruppen und Politikern zusammen, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Erhaltung des Korridors als vorfahrtsberechtigter Weg wird von 79% der Bewohner Vancouvers gutgeheißen. Bis 2001 betrieb Canadian Pacific Schienenverkehr auf den 11 Kilometern. Die vollständigen Einzelheiten zum Wettbewerb werden Anfang September unter www.spec.bc.ca veröffentlicht.


Sagt Paris 'Non!' zu SUVs?

Paris denkt über die SUVs (große Geländewagen) nach - gehören sie wirklich in die vom Verkehr halb erstickten Straßen der "Stadt des Lichts"? Diese Monster könnten in 18 Monaten aus der Stadt verbannt werden, so das Ergebnis einer neuen Entschliessung des Stadtrats. Ein grüner Bezirksbürgermeister sagte, dass "SUVs in Städten unpassend" seien. Er fuhr fort: "Sie sind Verschmutzer, sie belegen übermässigen Platz, sie sind eine Gefahr für Fußgänger und für andere Verkehrsteilnehmer. Sie sind eine Karikatur eines Autos". Das Verbot könnte als Teil geplanter Maßnahmen zur Verminderung der Staus in Kraft treten.

Der Stadtrat drängte Bürgermeister Bertrand Delanoe dazu, einen Ausschluss der SUVs in Erwägung zu ziehen, die mittlerweile 5 Prozent des französischen Automarktes ausmachen, was für US-Verhältnisse noch wenig ist. Paris hat mehr Platz auf den Straßen für Busse und Fahrräder zur Verfügung gestellt seit die Koalition aus Sozialisten und Grünen im Jahre 2001 an die Macht kam, doch die Stadt kann die SUVs nicht so einfach verbieten. Was bis heute getan werden kann ist, den Betrieb schwerer Fahrzeuge, insbesondere SUVs, einzuschränken, die bei hohen Luftverschmutzungswerten verboten werden könnten. Das Anwohnerparken könnte eingeschränkt und sie aus den empfindlichsten Bereichen herausgehalten werden.

"Paris bid to ban designer jeeps"
CNN
10 June 2004

Immer mehr Laster

Die tschechische Republik trat im Mai der EU bei und der Lastwagenverkehr über die tschechische Grenze hat an einigen Übergängen um 30% zugenommen. Bis zur EU-Zugehörigkeit mussten Lastwagen oft einen Tag an der Grenze auf Abfertigung warten, daher setzten Frachtunternehmen oft auf die Bahn von Lovosice (nördlich von Prag) nach Dresden. Bis Mai fuhren die Züge mit 75% Kapazitätsauslastung; mittlerweile mit knapp 9%.

Zwischen Prag und Dresden gibt es keine Autobahn und nun röhren Tausende von Lastern auf Bundesstraßen durch Dörfer und Städte. Schlimmer noch - die Bahnverbindung soll geschlossen werden, wenn nicht Klagen deutscher und tschechischer Bürgergruppen Erfolg haben.

"EU Accession Leads To More Trucks on the Roads"
World Carfree News
July 2004

Toyota-isation

Ein neues Wort für heute: Toyota-isation. Es bezieht sich auf die Meuten von Allradfahrzeugen (insbesondere den Toyota Land Cruiser),die inzwischen weltweit die Wüstensände aufwühlen. Die Folge: Wüstenstaub, der in ungekanntem Ausmaß in die Atmosphäre gelangt. Das Problem scheint weltweite Auswirkungen zu haben. Diese Fahrzeuge brechen die Wüstenoberfläche auf, insbesondere in der Sahel, dem Süden der Sahara. Die aufgebrochene Oberfläche gibt Staub an Stürme ab und verstärkt so den atmosphärischen Staub rund um den Erdball.

In Teilen Nordafrikas stieg die jährliche Staubproduktion in 50 Jahren um das zehnfache. Die Auswirkungen sind selbst in so weit entfernten Ländern wie England in Form von "Blutregen" zu sehen, der rostroten Staub hinterlässt. Weitere Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Abholzung und Überweidung verschärfen das Problem, doch die Tyotaisation scheint die Hauptursache zu sein. Auch Wüsten im Südwesten Amerikas leiden unter diesem Problem.

Wüstenoberflächen waren dank einer dünnen Schicht aus Flechten und Algen, die die Oberfläche zusammen hielten, über Jahrtausende stabil. Wenn die Oberfläche aufgebrochen wird kann feiner Sand vom Wind aufgeweht werden. Die üblichen Stürme von 100 km Weite können leicht 30 bis 40 Millionen Tonnen Staub mit sich nehmen. Möglicherweise wird auch die Verbreitung von Krankheiten dadurch gefördert.

Staubpartikel beeinflussen auch die Wolkenbildung durch die Entstehung Kondensationspunkten. Sie verhalten sich womöglich auch ähnlich wie Aerosole, die die Auswirkung der globalen Erwärmung verdecken. Wenn einst die Rumfahrerei in den Wüsten beendet sein wird könnte der Staub recht schnell aus der Atmosphäre verschwinden und zu einem geringen Anstieg der Erdtemperatur führen.

Kalifornien wendet sich zur Autofreiheit

Autofreies Leben erreicht die letzte Bastion des Automobilismus: Kalifornien. In Zentrum von Long Beach werden Wohnanlagen in dichter Bebauung erstellt, in denen auf den unteren Stockwerken Geschäfte einziehen werden. Die Bewohner werden direkten Zugang zu einem Kino haben, zu Cafés, Bars und anderen, kleineren Läden. Das Bauvorhaben ist nahe der "Blue Line Light-Bahn", die gute Anbindung ins Zentrum von Los Angeles bietet. Die 142 Wohneinheiten sind schnell belegt worden und haben Bewohner aller Einkommens- und Altersgruppen angelockt.

Das Projekt ist eine Versuch, auf das zu erwartende Bevölkerungswachstum in den sechs Bezirken von Los Angeles von heute 17 Mio. auf 25 Mio. in den nächsten 25 Jahren zu reagieren. Die Region kann einfach kein weiteres Bevölkerungswachstum auf Basis der heutigen, auf das Auto fixierten Zersiedelung mehr aushalten; ein Umstand, der von der Vereinigung der südkalifornischen Regierungen erkannt wurde.

Die Projekte, die jetzt entstehen, sind nicht im Sinne des Wortes autofrei, doch ihre Bewohner können den Alltag ohne Auto gut bewältigen. Das ist immerhin das Beste, was man derzeit von dieser Region erwarten kann.

"Lifestyle Change Might Save the State" [Registration required]
LA Times
9 July 2004


Und nun das Wetter

Saure Ozeane

Etwa die Hälfte des weltweiten CO2 Austoßes durch fossile Brennstoffe seit Beginn der Industrialisierung wurde von den Ozeanen der Welt aufgenommen. In Wasser aufgelöst bildet CO2 Kohlensäure, genau die Säure, die Soda säuerlich macht.

Ein Artikel in Science dokumentiert die ersten Bemühungen zu dokumentieren, wieviel CO2 ein Ozean absorbiert. Die Ergebnisse zeigten ein großes Potential, dass dadurch die Chemie des Ozeans, und ziemlich wahrscheinlich auch das darin befindliche Leben, verändert werden könnte. Etwa 9600 aus verschiedenen Wassertiefen wurden auf CO2-Gehalt hin analysiert. Es erscheint, dass 48% des CO2 aus fossilen Brennstoffen vom Ozean absorbiert wurde während der Rest in der Atmosphäre verbleibt. Die Studie ergab, dass viel von dem absorbierten CO2 in Oberflächenschichten blieb, was bedeutet, dass die Ozeane noch einmal doppelt so viel CO2 aufnehmen können wie sie bis jetzt haben.

Die Forscher verstehen noch wenig davon, wie ein steigender CO2-Pegel die Meeresfauna beeinflussen wird, insbesondere Korallen und Weichtiere, die ihre Schalen aus Karbonaten aufbauen, die im Meerwasser gelöst sind. Die Ozeane waren wegen der gewaltigen Menge gelösten Kalziumkarbonats lange Zeit alkalisch.

Mit steigenden Mengen CO2 im Wasser kann erwartet werden, dass die Ozeane saurer und es dadurch für Organismen schwieriger wird, Schalen zu bilden. Der pH-Wert des Oberflächenwassers könnte unter das Niveau der letzten 5 Millionen Jahre sinken.

"Greenhouse gas buildup seen as risk to oceans"
Boston Globe
16 July 2004

Heisser Himmel

Inzwischen ist mehr CO2 in der Atmophäre als jemals in den letzten 55 Millionen Jahren. Dieser Anstieg eines Haupt-Treibhausgases könnte unter Umständen alles Eis des Planten zum Schmelzen bringen. Dies würde Großstädte wie London und New York untergehen lassen und ebenso weltweit die Hauptanbaugebiete für Nahrung.

Die Eiskerne der Antarktis enthalten ein Klima-Archiv der letzten 800.000 Jahre. Sie zeigen die direkte Verbindung zwischen der Menge CO2 in der Atmosphäre und den Temperaturen auf dem Planeten. Auf der Höhe der letzten Eiszeit, vor etwa 12.000 Jahren, lag der Meeresspiegel 150 Meter dem heutigen Niveau.

Die Eisschmelze beschleunigt sich. Allein der Verlust des Grönlandeises wird den Meeresspiegel um 6 bis 7 Meter ansteigen lassen, das Abschmelzen der Antarktis weitere 110 Meter. Die Eiskerne zeigen, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre während der Eiszeit 200 ppm betrug; in Warmperioden erreichte er 270 ppm. Diese Schwankungsbreite wurde viele Male eingehalten, nun aber durch die fossilen Brennstoffe durchbrochen. Der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre hat 379 ppm erreicht und steigt um 3 ppm pro Jahr weiter.

"Ich bin sicher, dass der Klimawandel das größte Problem sein wird, mit dem sich die Zivilisation in 5000 Jahren auseinander zu setzen haben wird", sagte Sir David King bei seiner Rückkehr von den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll in Moskau. Er beschrieb Eisdecken wie die vom Kilimandscharo, die über Hunderttausende von Jahren beständig geblieben waren und aufeinanderfolgende Warmperioden überstanden hatten. Das Verschwinden dieser Gletscher wird nun in den nächsten 30 bis 40 Jahren erwartet. Er sagte: "Wir bewegen uns von einer Warmperiode hin zu der ersten heißen Periode, die die Menschheit je erlebt hat". Er bemerkte, dass die Hitzewelle, die 2003 in Europa 25.000 Menschenleben kostete - weit mehr als der Terrorismus - dennoch bei Weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit gefunden hätte.

Nachdem es vor 55 Mio. Jahren kein Eis auf dem Planeten gab ist es unmöglich zu bestimmen, wie viel CO2 damals in der Atmophäre war, doch wahrscheinlich war es nur wenig mehr als heute.

"Melting ice: the threat to London's future"
Guardian (UK)
14 July 2004

Katastrophe bei der Seevogelbrut

Enorme Bestände schottischer Seevögel konnten diesen Sommer nicht brüten. Der Grund: Die globale Erwärmung. Verschiedene Arten konnten nicht auf den Orkney- und Shetlandinseln nisten, und dies könnten die ersten Auswirkungen des Klimawandels auf Großbritannien sein.

Man glaubt, dass steigende Temperaturen für das Verschwinden des Sandaals verantwortlich sind, einem kleinen Fisch, der eine wichtige Nahrungsgrundlage für größere Fische, Säugetiere und Seevögel darstellt. Bei den Orkneys und den Shetlandinseln sind die Sandaalbestände seit Jahren zurückgegangen und in diesem Sommer verschwanden sie ganz, was zu einem Massensterben von Seevögeln führte. Für Shetland insbesondere ist die Perspektive von Brut-Mißerfolg schockierend. Mehr als 172.000 Brutpaare von Trottellummen wurden 2000 auf den Inseln gezählt. In diesem Sommer haben die Vögel nahezu keine Jungen aufgezogen, ein nie dagewesener Vorgang.

Im Jahre 2000 wurden mehr als 6800 Paare großer Skua-Möwen auf Shetland gezählt. Dieses Jahr zogen sie nur 10 Küken auf. Die 1200 arktischen Skuas brachten überhaupt keine lebenden Jungen hoch. Die 24.000 Paare arktischer Seeschwalben und die 16.700 Paare Dreizehenmöwen haben wahrscheinlich ebenfalls keinen Nachwuchs gehabt.

Die Situation in Orkney scheint ziemlich die gleiche zu sein, obwohl Daten bislang noch nicht verfügbar sind.

Die Verbindung mit dem Klimawandel ist klar. Das Plankton, von dem sich die Sandaallarven ernähren, wandert mit dem sich erwärmenden Meer nach Norden und lässt die Jungfische ohne Nahrung zurück.

Die Wassertemperatur der Nordsee ist in den letzten 20 Jahren um 2 Grad Celsius gestiegen und das ganze Ökosystem erlebt zur Zeit einen "Regierungswechsel". Die Verfügbarkeit von Nahrung hat sich in den vergangenen 20 Jahren so schnell geändert, dass das gesamte Ökosystem zu kippen beginnt. Alle Tiere in der Nahrungskette, deren Beginn das Plankton ist, sind betroffen. Junge Sandaale überleben nicht.

Während der Zusammenbruch des Brutgeschäfts früher an der Überfischung der Sandaale lag, kann der aktuelle Kollaps nicht daher kommen. Die Befischung des Sandaals auf Shetland wurde dieses Jahr eingestellt.

Die Bedeutung dessen, was hier geschieht, erreicht erst langsam die Aufmerksamkeit der politischen und wissenschaftlichen Welt, doch einige Vordenker haben schon verstanden. Tony Juniper, Vorsitzender von "Friends of the earth", sagte:" Das ist ein unglaubliches Ereignis. Die Katastrophe der Seevögel ist nur der Vorgeschmack dessen, was noch kommen wird. Sie zeigt, dass der Klimawandel sich jetzt vollzieht ... die Reduzierung der klimaschädlichen Umweltverschmutzung sollte nun zur Aufgabe Nummer Eins in der Politik werden".

Shell sorgt sich wegen des Klimawandels

Ron Oxburgh, Vorsitzender bei Shell, hat gesagt, dass der Klimawandel ihn "sehr in Sorge um den Planeten" versetze. In einem Interview im Guardian sagte er, dass wir dringend das CO2 ausfiltern und sequestrieren müssten. "Das Sequestrieren ist schwierig, doch wenn wir es nicht schaffen, sehe ich wenig Hoffnung für die Welt", sagte er. "Niemand kann bei der Aussicht, dass wir weiterhin die Mengen CO2 ausstoßen wie bisher, wohl sein .. mit Folgen, die wir nicht wirklich vorhersagen können, die aber wahrscheinlich nicht gut sein werden".

Oxburgh sagte, die Situation sei auch deswegen schwierig, weil die vielen Entwicklungsländer wie China und Indien enorme Kohlereserven haben. Kohle emittiert das meiste CO2 von allen Energieträgern. Er sagte: "Wenn sie anfangen, ihre Kohle zu verbrennen, sind wir im Westen in keiner guten Position. Wir können ihnen kaum sagen, das nicht zu tun, was eben wir in unserer Industriellen Revolution getan haben."

"Oil chief: my fears for planet"
Guardian
17 June 2004

Kalifornien wird geröstet

Eine Studie von 19 Wissenschaftlern führender Universitäten hat Ergebnisse erbracht, die die Kalifornier alarmieren sollten. Los Angeles wird am Ende des Jahrhunderts sieben Mal mehr Hitzetote in Städten im Inland registrieren da die Temperaturen um 15 Grad Fahrenheit ansteigen werden. Dies unter der Annahme, dass die Verbrennung fossiler Kraftstoffe auf derzeitigem Niveau bleibt. (Tatsächlich ist weit mehr wahrscheinlich, dass Kohle an die Stelle von Erdgas treten und der Stromverbrauch weiter steigen wird - wegen steigender Nachfrage nach Klimaanlagen, was das Problem weiter verschärft). Die Wasserversorgung würde ein gewaltiges Problem für Kalifornien werden da 73 bis 90 Prozent der Schneedecke in der Sierra verschwinden würde.

Die Wissenschaftler nahmen auch ein zweites Szenario an, unter dem die Emissionen gekürzt würden. Selbst unter diesem würden die Durchschnittstemperaturen um 4 bis 6 Grad Fahrenheit steigen. Die höheren Temperaturen würden die Wein- und die Milchindustrie des Staates gleichermaßen vernichten.

Die Wissenschaftler warnten davor, diese Ergebnisse als übertrieben abzutun. "Wir haben dies seit 30 Jahren untersucht und die Ergebnisse werden zunehmend klarer und beständiger", laut Dr. Stephen H. Schneider, einem Klimaforscher der Stanford-Universität.

Europa wird gebraten

Die Europäische Umweltagentur (EEA) sagt: "Die Europäer werden sowohl lernen müssen, mit dem sich wandelnden Klima umzugehen, als auch versuchen müssen, dessen Auswirkungen durch Emissionsbeschränkungen zu reduzieren". Einem neuem EEA-Bericht zufolge haben wir weniger als 50 Jahre, der Bedrohung zu begegnen.

Die Zahlen sind furchterregend. Allein im letzten Jahr verloren Europas Gletscher 10% ihrer Masse. Ernteerträge in Südeuropa gingen um 30% zurück. Es wird erwartet, dass der sich abzeichnende Klimawandel alles übertrifft, was sich in den letzten tausend Jahren ereignet hat.

Wenn wir unsere Lebensweise nicht ändern werden wir in weniger als 50 Jahren erleben, dass die Lebensbedingungen gefährlich ausarten werden. Die Temperaturen in Europa werden vermutlich zwischen 2 bis 6.3 Grad steigen. Die EU möchte versuchen, den Temperaturanstieg auf 2 Grad über der Höhe von 1990 zu begrenzen, die sie als höchsten ertragbaren Wert ansieht. Der EEA-Bericht schliesst damit, dass diese Durchschnittstemperatur nach derzeitigem Kenntnisstand "um 2050 herum überschritten werden wird".

Weitere Ergebnisse des Berichts:

  • Um 2050 werden 75% der Schweizer Gletscher verschwunden sein.
  • In 30 Jahren werden manche Planktonarten um 1000 km nach Norden gewandert sein.
  • In Süd- und Südosteuropa werden die Wassermengen von Flüssen stark zurückgehen.

"Europe 'must adapt on climate'"
BBC
18 August 2004


The Oil Report

Der wahre Preis des Öls

Laut dem US Energie-Ministerium entspricht der Ölpreis von 39 US-Dollar im Februar 1981 etwa dem heutigen Wert von 73.50 US-Dollar. Kürzlich erst liebäugelte der Ölpreis mit 50 US-Dollar. Also ist Öl, langfristig betrachtet, nicht sehr teuer.

"Oil prices hit fresh record highs"
CNN
6 August 2004

Simmons hofft, dass er sich täuscht

Wenn Matthew Simmons recht und Saudi-Arabiens größtes Ölfeld Ghawar seinen Zenit bereits überschritten hat, haben wir alle ein großes Problem.

Simmons hat sie alle, die Saudis eingeschlossen, aufgefordert, seine Behauptung zu widerlegen. Doch niemand hat sich gezeigt, obwohl anzuerkennen war, dass die Saudis in letzter Zeit entgegenkommender waren.

Die gesamte saudische Produktion stammt aus gerade mal sechs Feldern. Aus Ghawar, dem weltgrößten Ölfeld, kommen 60% allen Öls, das die Saudis je produziert haben. Selbst heute noch kommen in Saudi-Arabien 5 der insgesamt 7.5 bis 8 Millionen Barrels pro Tag (mbd) aus Ghawar. Nur 5 andere Felder produzieren den ganzen Rest.

Leider sind alle Felder über 30 Jahre alt und sie könnten zu kurzfristiger Maximalleistung gebracht worden sein, was ihrer maximalen Ausbeutung zuwiderläuft. Laut Simmons dürften die saudischen Felder die gleiche fallende Kurve zeigen wie andere Felder, wenn einmal der Druck zu fallen beginnt. Saudi Aramco hat allerdings den Druck der Reservoirs und die Durchflussmengen so hoch wie möglich gehalten.

Simmons behauptet dass die Saudis ihre Felder gleichzeitig mit primären und sekundären Fördermethoden ausgebeutet haben, indem seit dem Beginn der Förderung umfangreiche Wassereinleitungen erfolgten. Dies bedeutet, dass diese Felder einen vergleichsweise schnellen Niedergang bekommen. Während des vergangenen Jahrzehnts hat das Fehlen verlässlicher Daten aus den ölproduzierenden Ländern, insbesondere Saudi-Arabiens, es schwierig gemacht, kommende Fördermengen vorherzusagen.

Da zu saudischen Feldern verlässliche Daten fehlen, untersuchte Simmons akribisch die Aktivitätsberichte zu Ölfeldern, die zwischen 1961 und 2003 bei Treffen der Society of Petroleum Engineers vorgestellt wurden. Etwa 200 dieser Berichte wurden durchforscht und sie zeigten ein ziemlich deutliches Bild aller sechs saudischen Riesenölfelder.

"Jedes einzelne Papier für sich sagt nicht viel", sagte Simmons, "doch indem man den ganzen gigantischen Stapel durchging und jedes einzelne Feld, um das es ging, chronologisch herausarbeitete, konnte man die Geschichte dessen, was sich zu der Zeit in Saudi-Arabien abspielte, sehen". Die Studie ergab eine "ganze Litanei" von Überraschungen, deren wichtigste die ist, dass die sechs Felder, die für die gesamte saudische Förderung stehen, einmal, wenn der Niedergang begonnen hat, den Saudis kaum anderes mehr lassen. Aramco hat das ganze Land sorgfältig erkundet und keine weiteren Mega-Ölfelder gefunden.

Dennoch behauptet das Management von Aramco, dass die bestehenden Felder für weitere 50 Jahre bis zu 15 mbd produzieren könnten. Sie behaupten, dass diese Zahlen konservativ geschätzt seien und dass noch weit mehr Öl im Land vorhanden sei. Simmons bemerkte dazu, dass dies pure Behauptungen seien.

Nach Simmons glaubt Aramco, dass ihre fortschrittliche Technik den Verlust in älteren Felder durch Wassereinleitungen ausgleichen wird. "Meine Sorge ist, dass zu viele andere Ölgesellschaften in der Welt auch daran glauben, diese Werkzeuge erlaubten ihnen eine ständig steigende Förderung bei geringerer Zahl Ölquellen. Statt dessen sahen nahezu alle großen Ölproduzenten, die diese Mittel einsetzten, ihre Produktionsmengen versanden".

Er erklärte, dass diese Mittel in der Tat erlauben, mehr Öl aus einer Quelle zu extrahieren, dass jedoch die Niedergangsraten steiler sind als für normal ausgebeutete Quellen.

Simmons hätte lieber, dass die Saudis ihre Felder langsamer ausbeuten, um diese zu erhalten und ihre Lebensdauer zu verlängern. Er denkt, dass die Saudis bereits die Grenzen ihrer Fähigkeit zu Produktionserhöhungen erreicht haben, und wenn dies zutrifft "hat die Welt ihren Gipfel ebenso überschritten". Simmons fährt fort: "Dies könnte das größte Energieproblem werden, das die Welt je gesehen hat".

Noch hofft Simmons, dass ihn jemand widerlegt.

"Simmons hopes he's wrong"
Petroleum News
1 August 2004

Maximale Ölproduktion. . . heute?

Die Association for the Study of Peak Oil (ASPO) beendete kürzlich eine Konferenz in Berlin. Die Gruppe, die aus Führungskräften des Ölgeschäfts, Geologen, Investoren und Akademikern besteht, warnt seit einigen Jahren vor den hohen Ölpreisen, die wir jetzt haben.

Bei der ASPO-Konferenz begann Fatih Birol, Chefökonom der International Energy Agency, (und anderer "Optimisten") zu den Befürwortern der Spitzen-Öl-Theorie zu sprechen. Auch wenn sie mit Colin Campbells Vorhersagen nicht übereinstimmen, zeigt ihre Teilnahme, dass die ASPO inzwischen als wichtiger Teilnehmer der Öl-Debatte angesehen wird. Öffentlich hat Herr Birol bislang bestritten, dass die Förderung den wachsenden Bedarf nicht decken könne. Doch mittlerweile scheint er seine Tonlage geändert zu haben. "Einstweilen gibt es keine Reservekapazitäten. Doch für das letzte Quartal des Jahres erwarten wir einen Anstieg des Bedarfs von drei Millionen Fass pro Tag". Er setzt seine Hoffnungen in Bezug auf Produktionserhöhungen voll und ganz auf Saudi-Arabien. "Wenn die Saudis die Förderung Ende des Jahres nicht um 3 mbd aufstocken, werden wir, wie soll ich das ausdrücken, .. dann wird es sehr schwierig werden. Die Zeiten sind schwierig. Sie müssen investieren". Nun, jede Investition, die heute getätigt wird, wird Jahre dauern bis sie zu erhöhter Produktion führt.

Birol musste zugeben, dass die saudische Produktion "in etwa gleichbleibend" sei. Wenn die Saudis zusätzliche 3 mbd produzieren sollen, müssten sie die Förderung in wenigen Monaten um 30% ankurbeln. Er verweigerte die Antwort auf die Frage, ob so eine Erhöhung überhaupt möglich sei. "Sind Sie von der Presse? Dies ist nicht für Sie gedacht. Dies ist nicht für die Presse."

Anhänger der peak-oil-Theorie äußerten auf die Frage, ob solch eine Erhöhung möglich sei, "indiskutabel", "völlig unmöglich", und "3 Millionen Barrel - niemals - nicht einmal 300.000". Ein Delegierter musste sich vor Lachen am Tisch festhalten.

Düsteres Zahlenmaterial unterstützt die Prognose der ASPO. Im Jahre 2003 fiel die Zahl neu entdeckter, großer Ölfelder weltweit erstmals auf Null.

Hat China mehr?

Chinas Rohstoffministerium hat verkündet, dass das Land höhere Ölreserven hat als erwartet. Das Ministerium zizierte einen Bericht der chinesischen Petroleum and Chemical Corporation, die 47 Milliarden Fass an sicheren Reserven ausgemacht haben will. Die Menge beträgt in etwa das Doppelte bisheriger Zahlen.

Gleichzeitig dürfte China seinen Bedarf nur zu 44% aus eigenen Quellen decken können, da dieser jährlich um 15% steigt. Die Nachfrage aus China hat bei in den jüngsten Ölpreissteigerungen eine Rolle gespielt.



Editorial

Stimmt halt für Kerry

John Kerry ist ein mieser Präsidentschaftskandidat. Einen besseren kriegen wir nicht. Zumindest versteht und respektiert er die Rolle der US-Verfassung und des Rechts, die Bush ja völlig unbekannt zu sein scheint.

Stimmt für Kerry. Wir können uns vier weitere Jahre Bush einfach nicht leisten. Wenn nur der Fortbestand der Republik einmal gesichert ist können wir uns um die Details kabbeln.

Nader, sollte er wieder kandidieren wollen, sollte sich bei den Demokraten bewerben und nicht als Störer auftreten. Wie sehr auch immer Sie mit ihm übereinstimmen, jetzt ist nicht die Zeit, für ihn zu stimmen. Es sei denn Sie wollen noch vier Jahre Bush ...


Interesting New Books



cover
Transportation and Sustainable Campus Communities
Issues, Examples, Solutions

Will Toor & Spenser W. Havlick

Island Press, 2004

264 pages
Hardcover / Softcover
US$45.00 / $$22.50
ISBN 1559639229 / 1559636564

From the publisher: Transportation and Sustainable Campus Communities presents a comprehensive examination of techniques available to manage transportation in campus communities. It gives readers the understanding they need to develop alternatives to single-occupancy vehicles, and sets forth a series of case studies that show how transportation demand management programs have worked in a variety of campus communities, ranging from small towns to large cities. The case studies highlight what works and what does not, as well as the programmatic and financial aspects involved.




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"Study links sprawling suburbs, sprawling waistlines"

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"On Becoming a Number" A Word from Richard Risemberg for June, 2004

"Al Qaeda 'threat to blow up ships'" (I warned of this in Carfree Times #32.)




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